„Starte jetzt dein digitales Business und sei unabhängig“ oder „Kündige noch heute deinen Job“, diese Claims lese ich häufiger irgendwo. Das klingt ganz vielversprechend. Doch nicht jeder ist für ein unabhängiges Arbeitsleben im gemacht.
Gefrustete Kollegen, gefrustete Mitarbeiter: Wer kennt sie nicht?! In ihrer Arbeit finden sie keine Erfüllung. Sie hadern mit der Entscheidung, etwas zu verändern. Die totale Veränderung scheint die gewünschte Verbesserung zu bringen. Nur den Arbeitgeber zu wechseln, reicht ihnen nicht. Sie wollen mehr, sie wollen etwas vollkommen Neues. Mein Verständnis haben sie. Ich selbst habe vor einigen Jahren mein Angestellten-Dasein verlassen und bin den Weg in die Freiberuflichkeit gegangen. Heute arbeite ich ortsunabhängig. Für mich persönlich eine deutliche Verbesserung meines Arbeitslebens.
Bereitschaft für unabhängiges Arbeiten
Doch bei dem Wunsch nach Unabhängigkeit vergessen manche, sich selbst und ihren Wunsch einmal zu überprüfen. Ist es wirklich der Wunsch nach Unabhängigkeit? Würde nicht schon ein neues Tätigkeitsfeld oder ein anderer Arbeitgeber die Zufriedenheit steigern? Nicht jeder ist wirklich für ein unabhängiges und selbstständiges Arbeitsleben gemacht. Aus meiner Sicht ist das vor allem Typsache. Menschen, die diesen Weg gehen möchten, sollten wirklich bereit dazu sein, Verantwortung für sich selbst und ihr Leben zu übernehmen.
Mit „Starte jetzt dein digitales Business und sei unabhängig“ oder „Kündige noch heute deinen Job“ werben manche erfahrene Selbstständige für ihre Produkte – E-Books, Workshops, Online-Kurse. Klar, im Sinne der erfolgreichen Vermarktung macht das auch Sinn. Die Annahme dabei: Jeder kann unabhängig beziehungsweise selbstständig arbeiten. Der Traum vieler, ein unabhängiges Arbeitsleben fernab des Angestellten-Daseins zu führen, wird dabei zu einem Geschäftsmodell. Der Kauf eines dieser Produkte ist schneller vollzogen als der tatsächliche Schritt in die berufliche Unabhängigkeit. Die Produktvermarktung vermittelt oftmals, dass es nicht einfacheres gibt, als in unabhängiges Arbeitsleben zu starten.
Nicht jeder ist für Selbstständigkeit gemacht
Ich behaupte: Nicht jeder ist für ein eigenes Business, eine Selbstständigkeit oder die Freiberuflichkeit gemacht. Nur weil viele diesen Traum hegen, einmal alles hinzuschmeißen, auszusteigen und dabei mit einem digitalen Business durchzustarten, heißt das noch lange nicht, diese neue Art des Lebens auch wirklich führen zu können. Wer wirklich unabhängig sein will, sollte sich im Vorfeld unter Umständen selbst einmal ausprobieren. Dazu gibt es zahlreiche Möglichkeiten wie beispielsweise Sabbaticals oder eine nebenberufliche Selbstständigkeit. Auf diese Weise kann man sich schon unendlich freier fühlen als im täglichen Hamsterrad.
Damit meine ich keineswegs, nicht an seinen innerlichen Hürden oder an mangelndem Mut für den Schritt in die Unabhängigkeit zu arbeiten. Wenn es wirklich das ist, was jemand möchte, dann los. Man sollte sich lediglich bewusst sein, dass ein Leben als Selbstständiger viel Geduld erfordert, ebenso die Eigenschaft, eigene Projekte voranzutreiben und vielleicht auch mal mit Rückschlägen und Krisen umgehen zu können. Ein selbstständiges und unabhängiges Arbeitsleben ist mit vielen Herausforderungen verbunden. Selbstständige kümmern sich um alles selbst, sie nehmen ihr Arbeitsleben selbst in die Hand. Das alles fällt als Angestellter weg. Aus meiner Erfahrung als Personaler ist zu einem solch selbstständigen Leben nicht jeder Mensch gemacht. Bei zu viel Verantwortung oder Freiheit im Job erschrecken so manche Angestellte – auch wenn sie sich manchmal wünschen, einmal richtig auszubrechen. Viele Menschen können das problemlos, anderen würde es sehr schwer fallen, auf die Rahmenbedingungen eines Angestellten und feste Strukturen zu verzichten.
Bevor Menschen daher einfach direkt den Schritt in die total Unabhängigkeit gehen, sollten sie sich vielleicht einmal fragen, ob sie der Typ dafür sind. Dass man dabei oftmals von überall aus arbeiten kann, ist zwar schön, kommt erst als zweiter Punkt. In erster Linie geht es bei Selbstständigkeit und Freiberuflichkeit um das Arbeiten. Vor allem in den Anfängen steht das im Fokus. Dass ich selbst nun von überall aus meinen Job machen kann, was viele an einem unabhängigem Arbeitsleben reizt, ist ein toller Nebeneffekt. Das war aber zu Beginn meiner Freiberuflichkeit keineswegs Thema. Es ging mir anfangs eher darum, nicht mehr angestellt zu arbeiten, beruflich freier sein. Heute arbeite ich von überall aus – auch wenn ich mein Büro zu Hause oftmals bevorzuge.
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